Das ideale Unternehmen

Seit einigen Jahren bin ich auf der Suche nach der idealen Form für unternehmerische Vorhaben. Ich habe schon viel gesehen und davon etliches selbst ausprobiert: Einzelunternehmen, einfache Gesellschaft, Stiftung, Verein, Genossenschaft, AG, GmbH und noch ein paar exotische. Dann gibt es unzählige Möglichkeiten, um diese Rechtsformen auszugestalten. Und doch war ich bisher mit keiner Variante wirklich zufrieden.

Ich könnte nun ganz viel schreiben, was nicht funktioniert. Aber ich möchte es bereits heute einer Gruppe präsentieren, die gemeinsam ein neues Unternehmen gründen will. Also komme ich gleich auf den Punkt und skizziere meinen aktuellen Stand einer möglichen Lösung (fast) aller Probleme.

Lösung (fast) aller Probleme 😉

1. Ideeller Zweck

Für mich existieren Unternehmen, um einen Wert zu generieren für die Gesellschaft und nicht in erster Linie zur Profitmaximierung für Eigentümer (Shareholder). Zuerst sollten die Gründer*innen miteinander festlegen, was der Zweck oder eben dieser Wert für die Gesellschaft sein soll.

2. Verein als Rechtsform

Ein Verein nach schweizerischem Recht ist sehr flexibel. Man kann eine Gründung ohne Kosten durchführen. Mit den Statuten, eigenen Reglementen und Verträgen kann man die Organisations-, Vergütungs- und Entscheidungsstrukturen festlegen.

Der Verein ist ideal, weil durch diese Form der ideelle Zweck vorgeschrieben ist (ZGB 60 I). Gemäss Bundesgerichtsentscheiden ist es zwar auch möglich, einen Verein mit wirtschaftlichem Zweck zu gründen, dann dürfte dieser aber nicht gleichzeitig selbst geschäftlich tätig sein (HRegV Art. 91).

3. Geschäftlich tätig

Ein Schweizer Verein kann geschäftlich tätig sein, oder wie das Gesetz sagt, ein “nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe” betreiben (ZGB 61 I). Die Geschäftstätigkeit dient dazu, den Zweck zu erreichen. Ein Verein mit einem Gewerbe muss sich in das Handelsregister eintragen. Das ist auch gut so, weil es Transparenz schafft.

4. Gewinne als Mittel zum Zweck

Beim Verein ist eine Ausschüttung von Gewinnen ausgeschlossen. Es gibt keine Eigentümer und daher auch niemanden, dem man eine Dividende ausschütten könnte. Die Gewinne sind Mittel zur Erfüllung des Zwecks. Der Gewinn wird hauptsächlich reinvestiert, um noch mehr Wert für die Gesellschaft zu generieren.

5. Vergütung

Vergütung gibt es nur gegen angemessene Gegenleistung. Mitarbeitende erhalten – je nach Liquidität des Vereines – nur einen Teil ihres Lohnes direkt ausbezahlt. Der andere Teil wird als Mitarbeiterguthaben erfasst und später ausbezahlt, sobald ein Überschuss erwirtschaftet wurde. Falls das Vorhaben nicht erfolgreich ist, verfällt dieses Guthaben nach einer festgelegten Zeit. Ich nenne es deshalb ein “erfolgsabhängiges Mitarbeiterguthaben”.

Bei jedem Jahresabschluss wird der Bruttogewinn nach eine bestimmten Reihenfolge verteilt. Es ist eine Art “Cash Waterfall”.

Zuerst wird der Bruttogewinn ermittelt. Dann wird dieser Schrittweise verteilt:

  • Als erstes eine Spende zu einem festgelegten Prozentsatz zur Förderung des Zwecks. Dies dient dazu, sich jedes Jahr mit dem Zweck zu beschäftigen und sich daran zu erinnern, warum es das Unternehmen gibt.
  • Dann werden alle Löhne abgezogen. Diese sind unter dem Jahr bereits ausbezahlt worden.
  • Anschliessend werden noch die Abschreibungen, Steuern und Zinsen abgezogen.
  • Die letzten drei Blöcke sind jedes Jahr eine Entscheidung, wie gross sie sind: Investitionen zurück in den Verein, Auszahlung von Mitarbeiterguthaben und falls es noch weitere Überschüsse gibt, eine Spende zur Förderung des gewählten Zwecks.

6. Treuhänderische Führung

Die aktiven Unternehmer*innen tragen die Verantwortung und sorgen für eine treuhänderische Führung. Die Kontrolle über das Unternehmen bleibt immer in den Händen von Menschen, die mit dem Unternehmen eng verbunden sind und die Werte des Unternehmens im Sinne seiner langfristigen Entwicklung tragen. Es gibt keine automatische Vererbung und das Unternehmen kann nicht als Spekulationsgut verkauft werden.

Im Verein kann die Entscheidungsstruktur selbst gestaltet werden mit aktiven und passiven Vereinsmitgliedern, mit Vorstand und Geschäftsleitung. Ich nutze zum Beispiel meist eine Form von soziokratischen Entscheidungen im Konsent, verankert in den Statuten.

Bei der Ausgestaltung der Entscheidungsstruktur ist darauf zu achten, Prinzipien einer “Good Governance” einzuhalten:

  • Es sollte ein ehrenamtlicher Vorstand eingesetzt werden, der den ideellen Zweck im Blick hält.
  • Der Vorstand beauftragt eine getrennte Geschäftsleitung.
  • Idealerweise sollten die Angestellten/Beauftragten im Verein nicht die Mehrheit der Vereinsmitglieder stellen, damit sie nicht die Vereinsversammlung dominieren können.

Eine solche Governance-Struktur benötigt eine gewisse Anzahl Personen, was für einen einfachen Start bereits zu aufwändig ist. Beim Start ist Vieles noch in Bewegung und der Zweck und die Arbeit darum sind sich erst am formieren. Somit wird man zu Beginn kaum die optimale Aufteilung der Rollen erreichen. Nach wenigen Monaten sollte man jedoch das Thema der “Good Governance” aufgreifen und laufend weiterentwickeln.

Schlussbemerkungen

Eine grosse Inspiration für einige Bereiche ist die Bewegung rund um Verantwortungseigentum. Vielen Dank für eure Arbeit!

Natürlich müssen die Punkte oben noch weiter ausgeführt werden. Für das “erfolgsabhängige Mitarbeiterguthaben” habe ich bereits ein umfangreiches Vergütungsreglement erarbeitet. Sobald es fertig und getestet ist, kann ich es veröffentlichen. Wer jetzt schon Interesse hat, kann sich gerne bei mir melden.

Update 05.11.2022: Weitere Gedanken über den Verein mit ideellem Zweck und wirtschaftlicher Tätigkeit.